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Anästhesist des Nettetaler Krankenhauses bereits beim siebten Einsatz in Tadschikistan

Humanitäre Hilfe für Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Dr. Hartwig Broer, Oberarzt der Anästhesie des Nettetaler Krankenhauses, unterstützte vom 5. bis zum 12. Mai das Hilfsprojekt der Organisation Tajik Aid. Bereits zum siebten Mal war er als Narkose-Arzt vor Ort in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans.

Ein Team von Krankenschwestern und Ärzten aus verschiedenen Fachdisziplinen nahm im Zuge des humanitären Einsatzes Operationen an Kindern mit angeborenen Mund-Kiefer-und Gesichtsmissbildungen vor. Insgesamt konnten die Helfer in einer Woche 38 Kinder mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten versorgen. Gründer der Organisation ist der Kempener HNO-Arzt Dr. Martin Kamp, der seit 2009 für ehrenamtliche Einsätze in Tadschikistan sorgt.

Vorrangiges Ziel des Einsatzes ist es, die Kenntnisse der einheimischen Operateure weiter zu vertiefen. Wie schon in den letzten Jahren legten Broer und das restliche Team einen weiteren Grundstein dafür. So führten einheimische Chirurgen zunehmend komplexere Eingriffe unter Supervision und Assistenz durch anwesende Operateure durch.

Das gesamte OP-Material wie auch das Anästhesie-Equipment und die Narkose- und wichtigsten Notfallmedikamente brachten die Teilnehmer von Tajik Aid zum Einsatzort. Das Nettetaler Krankenhaus und die Sebastian Apotheke unterstützten Broers Einsatz dabei.

Moderne Medikamente sind Mangelware in Tadschikistan, es werden günstige, aber veraltete  Präparate benutzt, die in Deutschland vorwiegend nur noch in der Tiermedizin Verwendung finden. Selbst die Medizin ist oft schwierig zu bekommen und wahrscheinlich von zweifelhafter Qualität. Einheimische Anästhesisten gibt es kaum, so dass die Narkosen meist von angelernten Pflegern oder Narkosegehilfen durchgeführt werden. Manche Geräte wie Narkosegeräte oder Monitore sind spärlich vorhanden, auch Sauerstoff ist, sogar in der Hauptstadt Dushanbe, nicht gesichert vorhanden. Häufig kommt es zu Stromausfällen, die bei fehlenden Notstromaggregaten den Einsatz eines Dieselgenerators auf dem OP-Flur erforderlich machen.

Seit einer Komplettrenovierung des OP-Zentrums vor drei Jahren mit einer modernen Sauerstoffanlage und Klimatisierung gehören diese Probleme jedoch der Vergangenheit an. Die Versorgung der Patienten entspricht hier inzwischen fast westeuropäischem Standard.

Im Zuge seines Einsatzes besuchte Broer das Krankenhaus der Stadt Chorog an der Grenze zu Afghanistan. Hier hatte bereits in früheren Jahren ein Tajikaid-Einsatz stattgefunden, so dass die Entwicklung des Krankenhauses beurteilt werden konnte. Erfreulicherweise waren große Anstrengungen und Fortschritte im Bereich der Telemedizin gemacht worden. Es gibt feste Sprechzeiten zu denen die einheimischen Ärzte von spezialisierten Kollegen in größeren Zentren fachliche Hilfe und Rat zu ihren Patienten erhalten können. Die Ärzte vor Ort freuten sich sehr über die mitgebrachten medizinischen Geräte und über chirurgische Instrumente, die in deutschen Kliniken nicht mehr benutzt werden. Ferner konnten Schritte zur Reparatur der defekten Sauerstoffanlage unternommen werden und Ersatzteile bestellt werden.

Hintergründe zur Lippen-Kiefer-Gaumenspalte

Bei der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte handelt es um eine der am häufigsten auftretenden embryonalen Fehlbildungen des Menschen. Etwa jedes 500.-1000. Kind soll davon betroffen sein. Verschiedene Faktoren wie Vererbung aber auch Fehlernährung oder Belastung durch Umweltgifte können zu ihrer Entstehung beitragen.

Zwar ist die  Häufigkeit des Auftretens der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte  in Tadschikistan wie in Gesamtasien wahrscheinlich noch etwas größer als in Deutschland,  jedoch bleibt die Versorgung der Patienten auch viele Jahre nach der Abspaltung von der Sowjetunion und nach langem Bürgerkrieg weiterhin mangelhaft. Zum einen gibt es zu wenig Spezialisten, die sich mit dem Krankheitsbild auskennen, zum anderen werden die finanziellen Ressourcen des bitterarmen Landes in andere Projekte des Gesundheitssektors gesteckt, wie der Bekämpfung der sehr häufig vorkommenden Tuberkulose. So wird auch heute noch die Entstellung durch die Gesichtsspalte, bei uns im Volksmund diskriminierend „Hasenscharte“ bzw. „Wolfsrachen“ genannt, oft als Strafe Gottes gesehen und die Kinder zuhause versteckt gehalten.

Dabei ist die Ächtung durch das Aussehen nur ein Aspekt der Erkrankung. Bedingt durch die veränderte Anatomie kann es zu Atembeschwerden kommen. Das Stillen der Säuglinge ist deutlich erschwert, ebenso die weitere Nahrungsaufnahme. Durch Eintreten von Nahrung beim Schluckakt in den Nasenraum kommt es zu vermehrten Belüftungsstörungen des Ohres und damit zu chronischen Ohrentzündungen. Die Stimmbildung ist auch bei reinen Lippenspalten und noch mehr bei Gaumenspalten gestört, was zu Hänseleien und psychischen Problemen führen kann. Weiterhin bestehen erhebliche Gebissfehlstellungen.

In den meisten Fällen kann die Störung oft durch 1 oder 2 Operationen im Säugling- oder Kleinkindesalter effektiv behoben oder deutlich gebessert werden.